Anfrage nach § 27 BezVG der Mitglieder der Bezirksversammlung Eimsbüttel, Peter
Schreiber, Dagmar Bahr und Gabor Gottlieb (SPD-Fraktion)
Die Anfrage wird – von der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation – wie folgt
beantwortet:
Sachverhalt
Seit geraumer Zeit werden bei Umbauarbeiten im Verkehrsraum Taktile Bodenleitsysteme für blinde und stark sehbehinderte Menschen verbaut. Sie bestehen aus weißen Steinen, sogenannten „Bodenindikatoren“, die dank Rillen oder Noppen mit einem Blindenstock ertastbar sind. So ermöglichen sie blinden Personen, sich im Verkehrsraum zu orientieren und sich insbesondere an gefährlichen Stellen sicher fortzubewegen.
Aktuell zeigen sich allerdings in der Praxis gravierende Probleme. So bleiben bewegungseingeschränkte Personen, die Rollatoren benutzen, mit den Rädern ihrer Rollatoren in den Rillen der Steine stecken. Die Räder verklemmen sich in den Rillen und die (meist) hochbetagten Senioren können sie nur sehr schwer wieder lösen. So ist eine Frau beobachtet worden, wie sie an der Fußgängerfurt der Lichtsignalanlage (LSA) Holsteiner Chaussee/Hörgensweg bei Grünlicht startete und an der Kante der Mittelinsel in diesen Steinen steckenblieb. Ihre Bemühungen sich zu befreien dauerten an, bis die LSA auf Rot sprang. Die Frau stand solange noch auf der Fahrbahn und kam erst kurz bevor die Fahrzeuge starteten frei. Sie musste dann auf der Mittelinsel wieder auf Grün warten.
In der nahegelegenen Seniorenanlage (Ecke Reemstückenkamp) ist dieses Problem seit Fertigstellung der Kreuzung hinreichend bekannt. So umfahren versierte Senioren diese Stellen indem sie Bordsteinkanten überwinden oder, wenn sich die Gelegenheit bietet, über Radwegüberfahrten schieben.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die zuständige Fachbehörde:
1. Müssen Bodenindikatoren bestimmten Normen entsprechen?
Wenn ja:
1.1. Welche sind dies und welche Kriterien sind darin jeweils festgelegt (insbesondere
Rillenbreite/Rippenabstand)?
Zu 1. bis 1.1.:
Ja. Es gilt die DIN 32984:2011-10 „Bodenindikatoren im öffentlichen Raum“, in der die
Oberflächenstrukturen der Bodenindikatoren (Rippen- und Noppenstruktur) definiert sind.
Für Bodenindikatoren mit Rippenstruktur (Rippenplatten) im bewitterten Außenbereich sind
dabei folgende Maße als Spannen festgelegt:
Für die in Hamburg zu verwendenden Rippenplatten sind die Maße in den
Planungshinweisen für Stadtstraßen in Hamburg – Teil 10 Barrierefreie Verkehrsanlagen
(PLAST 10) weiter konkretisiert:
1.2. Sind bei der Normsetzung die Belange anderer Verkehrsteilnehmer hinreichend berücksichtigt
worden? Wenn ja, welche waren das und inwiefern?
Ja, dabei sind alle Gruppen von Fußgängern (z. Bsp. Rollatornutzer, Sehbehinderte, Blinde) sowie Fahrradfahrer berücksichtigt worden. Bei den Abstimmungen der Normsetzung waren die jeweiligen Verbände beteiligt, zudem haben umfangreiche Begehungen und Befahrungen stattgefunden.
Bei der Herstellung der Barrierefreiheit ist zu berücksichtigen, dass es – je nach Nutzergruppe – entgegengesetzte Anforderungen geben kann.
Um für alle Nutzergruppen eine möglichst gute Nutzbarkeit zu erreichen, wurde bei der Erstellung der PLAST und damit auch bei der Konkretisierung der Maßvorgaben auf eine ausgewogene Berücksichtigung der Belange anderer Verkehrsteilnehmer geachtet. Hierzu wurde ein Beteiligungsverfahren durchgeführt, in dem u. a. der Landes-Seniorenbeirat Hamburg (LSB), die Hamburger Landesarbeitsgemeinschaft für behinderte Menschen (LAGH) und der Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg e. V. eingebunden waren.
1.3. Entsprechen die in Hamburg verwendeten Bodenindikatoren der Norm?
Ja.
2. Gibt es verschiedene Modelle von Bodenindikatoren? Wenn ja, welche und wie unterscheiden sie
sich (insbesondere Rillenbreite/Rippenabstand)?
Von den Vorgaben der PLAST und der DIN abweichende Bodenindikatoren aus aktueller
Fertigung sind nicht bekannt.
3. Welche Bodenindikatoren (Art/Hersteller/Modell) werden in Hamburg verwendet und was
kennzeichnet sie jeweils (insbesondere Rillenbreite/Rippenabstand)?
In Hamburg können – je nach Ausschreibungsergebnis – Bodenindikatoren unterschiedlicher Hersteller zur Verwendung kommen. Sie alle müssen jedoch zwingend die PLAST und damit auch die DIN 32984 erfüllen (siehe Antwort zu 1. bis 1.1).
4. Welche Bodenindikatoren (Art/Hersteller/Modell) wurden an der Fußgängerfurt der Lichtsignalanlage Holsteiner Chaussee/Hörgensweg verwendet?
Es wurden Bodenindikatoren gem. DIN 32984 der Firma Profilbeton verlegt.
5. Welche geeigneten Maßnahmen sieht die Fachbehörde, um die beschriebene Problematik für Personen mit Rollatoren schnell zu lösen? Wann sollen diese Maßnahmen ergriffen werden?
Seit Einführungen der PLAST 10 im Mai 2012, mit der die Verwendung der darin beschriebenen Bodenindikatoren begann, sind der Fachbehörde keine derartigen Probleme bekannt geworden.
Ein Verklemmen der Rollatorenräder bei einer Rippenhöhe von maximal 5 mm in Verbindung mit den abgeschrägten Flanken und dem Rippenabstand sollte physikalisch/mechanisch nicht möglich sein.
Ein zwischenzeitig vom Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) unter Beteiligung der betroffenen Rollatornutzerin durchgeführter Ortstermin hat gezeigt, dass Auslöser für die geschilderten Probleme die durchgängig auf 3 cm abgesenkten Bordkanten sind.
Diese Ausführung stellt gemäß der aktuellen PLAST 10 den Regelfall dar und entspricht der Norm.
Für Rollatornutzer mit besonders eingeschränkter körperlicher Kraft und Beweglichkeit kann die Überwindung dieser Bordsteinhöhe in Verbindung mit dem jeweils verwendeten Rollatortyp erschwerend sein. In Bereichen, in denen erkennbar mit einer höheren Anzahl von Rollatornutzern zu rechnen ist, sieht die PLAST 10 deshalb eine getrennte Querung vor (Abschnitt 3, Blatt 9 und 10), die klar gekennzeichnet einen Bereich mit Nullabsenkung (0 cm) und einen mit 6 cm Bordsteinhöhe für alle Menschen mit Sehbeeinträchtigung bietet. Diese Ausführungsmöglichkeit sieht auch die Norm vor.
6. Sind prioritäre Sofortmaßnahmen – z.B. an der genannten Örtlichkeit in Eidelstedt – vorgesehen, um die konkrete Gefahrenlage für Senioren zu beseitigen? Wenn ja, welche?
Als Sofortmaßnahme zur Entschärfung der Situation wurden am 10. Juni 2015 die Bordsteinkanten angeschrägt.
Des Weiteren soll die Fußgängerquerung wie in Antwort zu 5. beschrieben umgestaltet werden, damit sie insgesamt den Anforderungen an die Barrierefreiheit entspricht. Die erforderliche Überarbeitung der Planung ist durch den LSBG bereits veranlasst, die Umsetzung erfolgt dann in Abhängigkeit von den zur Verfügung stehenden Kapazitäten zeitnah.