Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Bezirk Eimsbüttel

Große Anfrage der Mitglieder der Bezirksversammlung, Gabor Gottlieb, Uwe Giffei, Gerlind Böwer und Charlotte Nendza (SPD-Fraktion)

Sachverhalt Im vergangenen Jahr kam es zu einem rasanten Anstieg der Zuwanderung von Asylbewerbern in Hamburg – insbesondere in der zweiten Jahreshälfte. Ersuchten im Juni 2012 noch 127 Personen in der Hansestadt Asyl, kamen im Oktober des Jahres bereits 380 Flüchtlinge hinzu. Dies brachte vor allem die Erstaufnahmeeinrichtungen an ihre Kapazitätsgrenzen.

Auch die Zunahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen setzte sich 2012 weiter fort. Während noch 2007 nur insgesamt zwanzig junge Zuwanderer vom Hamburger Kinder- und Jugendnotdienst in Obhut genommen wurden, waren es im vergangenen Jahr schon 623. Diese Kinder und Jugendlichen, die alleine und oft schwer traumatisiert in Hamburg ankommen, bedürfen des besonderen Schutzes durch die Behörden.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Verwaltung:

1)   Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge leben derzeit im Bezirk Eimsbüttel?

Eine genaue Zahl kann nicht angegeben werden. In Eimsbüttel leben zurzeit ca. 55 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, für  die die  Eimsbüttler  Amtsvormünder  zuständig sind. Hinzu kommen einige Jugendliche, die ihren Vormund in einem anderen Bezirk haben.

a)   Welche Herkunftsnationalitäten haben sie? (Bitte aufschlüsseln.)

Afghanistan (ca. 55 %) Ägypten (ca. 30 %) Guinea, Guinea-Bissau, Marokko, Libyen, Libanon, Somalia, Indien, Nepal, Mauretanien, Russland

b)   Welche Altersstruktur weisen sie auf?

17 Jahre (ca. 50 %)
16 Jahre (ca. 35 %)
12 – 15 Jahre
18 – 21 Jahre (nach Heimatrecht sind diese jungen Flüchtlinge noch nicht volljährig und die Vormundschaft besteht weiterhin)

2)   Wie wurden die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in Eimsbüttel in den vergangenen fünf  Jahren untergebracht? (Bitte aufschlüsseln nach Jahren und Erstversorgung, Wohngruppen, Verwandten, Pflegefamilien, Gemeinschaftsunterkünften i.S. des Aufenthaltsgesetzes)

In  Eimsbüttel  gibt  es  derzeit  folgende  Einrichtungen  für  unbegleitete  minderjährige Flüchtlinge.
Erstversorgungseinrichtung gem. § 42 SGB VIII (hier ist eine Unterbringung für die erste Zeit,  maximal 3 Monate, vorgesehen):
Kollaustraße  14 Plätze

Anschlussunterbringungen, Einrichtungen, die häufig unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufnehmen.
Jugendwohnungen nach § 30 SGB VIII:
Kollaustraße  16 Plätze,  Privatweg  12 Plätze, Max-Zelck-Str .  8 Plätze

Jugendwohnungen nach § 34:
Bindfeldweg  12 Plätze

Weitere Plätze in Einrichtungen der Jugendhilfe, die nicht auf unbegleitete minderjährige Flüchtlinge spezialisiert sind, Anzahl schwankt.

3)   Gibt es bei den Unterbringungsmöglichkeiten Engpässe oder weitere Bedarfe? Wenn ja, welche?

Der ASD vermittelt die Jugendlichen aus der Erstversorgungseinrichtung in andere bedarfsgerechte Einrichtungen. Der Eimsbüttler ASD   ist für 10,14% aller in die FHH einreisenden unbegleiteten Flüchtlinge zuständig. Es fehlt an Plätzen nach § 30 SGB VIII, nach § 34 SGB VIII für Mädchen, Plätze in Einrichtungen für psychisch auffällige Jugendliche. Weiter gibt es Schwierigkeiten bei der Unterbringung von Jugendlichen, die aufgrund von Regelverstößen nicht (mehr) in Jugendhilfeeinrichtungen untergebracht werden können und bei Jugendlichen, die in eigenen Wohnraum ziehen könnten.

4) Für den Fall, dass unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht worden:

a)   Welche waren dies jeweils, bitte Fallzahlen mit angeben?

Es  wurden  bisher  keine  unbegleiteten  minderjährigen  Flüchtlinge  in  Wohnunterkünften untergebracht.

b)   Aus    welchen    Gründen    erfolgte    in    diesen    Fällen    die    Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft?

c)   Wie beurteilt das Bezirksamt die Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Gemeinschaftsunterkünften im Hinblick auf die Kindeswohlbindung gem. Sozialgesetzbuch, Achtes Buch?

Eine Wohnunterkunft stellt  in der  Regel keine geeignete Unterbringung für  unbegleitete minderjährige Flüchtlinge dar.

d)   Ist dem Bezirksamt bekannt, ob weitere Gemeinschaftsunterkünfte für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge geschaffen werden sollen? Wenn ja, welche sind das, wie viele Plätze bieten sie, zu wann sollen sie geschaffen werden und wie beurteilt das Bezirksamt dies?

Dem Bezirksamt ist keine konkrete Planung bekannt.

5)   Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge haben einen Privatvormund?

Zurzeit  hat  ein  Jugendlicher  einen  Privatvormund.  Letztes  Jahr  waren  es  noch  6 Jugendliche, diese sind inzwischen volljährig geworden.

6)   Wie ist die Bildungssituation der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in Eimsbüttel? (Bitte differenzieren, nach Eingangssituation, Schulbildung und Ausbildung und Hochschulbindung)

Die Eingangssituation ist abhängig vom Herkunftsland:
Die  Jugendlichen  aus  Afghanistan  haben  häufig   längere  Zeit  die  Schule  besucht. Ca. 10 % dieser Jugendlichen sind nicht alphabetisiert. Jugendliche aus Afrika sind nur zu ca. 50 % für 2 – 3 Jahre zur Schule gegangen, 50 % von ihnen haben keine Schule besucht. Ca.  75 % der Jugendlichen aus Afrika sind nicht alphabetisiert.

a)   Sind  besondere  Fördermaßnahmen vorhanden? Wenn  ja,  in  welchem  Rahmen  werden  sie genutzt bzw. besteht weiterer Bedarf?

Die Jugendlichen besuchen zunächst Orientierungsklassen für ca. 3 – 6 Monate. Diese dienen zur Vermittlung von ersten Deutschkenntnissen und einer Einschätzung über den Leistungsstand. Diese Orientierungsklassen werden an verschiedenen Schulen im gesamten Hamburger Stadtgebiet angeboten und sind nicht an Schuljahre gebunden. Danach gehen die Jugendlichen für ca. 2 – 3 Jahre in Förderklassen, diese werden an Stadtteil- oder Gewerbeschulen angeboten. Dort kann der Haupt- oder Realschulabschluss erfolgen.

Ca. 5 % der Jugendlichen machen Abitur. Ca. 25 % der Jugendlichen verweigern den Schulbesuch komplett. Zur Bildungsförderung gibt es Angebote von Deutschkursen neben der Schule, Nachhilfeunterricht,
Computereinführungskurse und berufsorientierte Praktika. Es besteht weiterer Bedarf an Deutschkursen und Nachhilfeunterricht

b)  Das Bezirksamt Altona führt in der Drucksache (XIX-1899) aus, dass die Regelungen des Aufenthaltsgesetzes und der Beschäftigtenverordnung hinderlich seien. Wie sind die Erfahrungen der Bezirksamtes Eimsbüttel hierzu?

c)   Ebenfalls   wird   in   der   Drucksache   ausgeführt,   dass   die   materielle   Versorgung einer weitergehenden schulischen oder beruflichen Bildung im Wege stehe. Wie sind die Erfahrungen des Bezirksamtes Eimsbüttel hierzu?

Den Ausführungen in der o.a. Drucksache wird zugestimmt. Viele Jugendliche haben einen unsicheren Status, dadurch wird die berufliche Integration erschwert und Nebenverdienst unmöglich gemacht. Der Schulbesuch bis zu einem Abschluss kann in der Regel noch ohne Hürden erfolgen, solange die Schulpflicht noch nicht erfüllt ist. Wenn es um die weitere Qualifizierung oder Ausbildung geht, stehen hier oft gesetzliche Regelungen entgegen (Aufenthaltsgesetz, Beschäftigungsverordnung, SGB II, SGB XII, BAföG). Haben  die  Jugendlichen  ein  Bleiberecht  bzw.  eine  Arbeitserlaubnis  können  sie  ein Ausbildungs- oder Beschäftigungsverhältnis eingehen oder auch öffentliche Leistungen beantragen. Haben sie eine Duldung oder eine Aufenthaltsgestattung und wird der Lebensunterhalt über das Asylbewerberleistungsgesetz gesichert, schließt dies einen Schulbesuch über die Schulpflicht hinaus oder eine Ausbildung bzw. Arbeit aus.

7)   Was  könnte  aus  Sicht  der  Verwaltung  zur  Betreuung  von  minderjährigen  unbegleiteten Flüchtlingen verbessert werden?

Schneller einen sicheren Status für die Jugendlichen erteilen (Durch das Dublin II Abkommen stehen viele Jugendliche unter Druck, aus Angst in einen anderen europäischen Staat abgeschoben zu werden, weil sie sich dort kurz aufgehalten haben. Sicherere Aufenthaltstitel würden die Möglichkeiten erhöhen, sich zu qualifizieren.) Mehr bedarfsgerechte Unterbringungsmöglichkeiten, ggf. mit speziell qualifiziertem Personal.
Mehr therapeutische Hilfe für die z.T. schwer traumatisierten Jugendlichen (Wünschenswert wären mehr muttersprachliche kassenärztlich zugelassene Therapeuten)

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