Sachverhalt
Zwei elegant aufwärts gerichtete Flachdächer winken die Besucher herein in die beiden großen, lichtdurchfluteten gläsernen Empfangshallen zum Eimsbütteler Bezirksamt am Grindelberg. Die Bücherhalle im östlichen Winkel des Erdgeschosses, mit der Kinder und Jugendbuchausleihe, signalisiert Kultur- und Kinderfreundlichkeit. Pförtner weisen den Menschen den Weg. Neben drei konventionellen Treppenhäusern sorgen zwei Paternoster und Aufzüge für den schnellen Aufstieg in die Behördenetagen, die sich in zwölf Geschossen darüber stapeln.
Die Fassade ist streng einheitlich gegliedert. Alle Fenster sind gleich und symbolisieren demokratische Gleichheit – bis auf acht kaum sichtbare Abweichungen: Über den Behörden im 13. Stock – gegenüber der Kantine – bietet der große Sitzungssaal durch die bis auf den Parkett-Boden gezogene Verglasung einen grandiosen Weitblick über die Stadt.
Ein großer Vorplatz mit Fahnenmasten und Sitzbänken sichert dem Gebäude einen imposanten Auftritt. Darunter die Tiefgarage, an deren Zufahrten sich eine Tankstelle befindet, auch diese mit einem elegant geschwungenen Dach versehen.
So präsentierte sich „Europas modernstes Rathaus“, wie es bei der Einweihung im Juni 1953 in der Presse gefeiert wurde. Das mit einer Länge von 212 Metern, einer Höhe von 42 Metern und einer Breite von nur 13 Metern für die damalige Zeit futuristische Behördengebäude ist maßgeblich das Werk des Corbusier-Schülers und Aufbauarchitekten Ferdinand Streb. Es entstand in Teamarbeit mit dem Büro Hopp & Jäger in den Jahren 1952 und 1953.
Das Gebäude ist zentraler Bestandteil von Deutschlands erstem Hochhausprojekt nach dem Zweiten Weltkrieg, bestehend aus zwölf zwischen neun- und 15-geschossigen schlanken Hochhausblöcken, die auf dem Trümmerfeld im nahezu völlig ausgebombten Geviert der Straßen Brahmsallee, Hallerstraße, Oberstraße und Grindelberg in den Jahren 1946 bis 1956 geplant und gebaut wurden.
Ihre Entstehung geht ursprünglich auf Pläne der britischen Besatzungsmacht zurück, Hamburg zum Hauptquartier der britischen Zone zu machen, genannt „Hamburg project“. Für Angehörige der Besatzungstruppen und des Personals der Militär- und Zivilverwaltung beabsichtigten die Briten 900 Wohnungen zu schaffen. Für Planung und Entwurf wählten die Briten jene in Hamburg arbeitenden Architekten aus, denen eine Parteimitgliedschaft in der NSAP nicht nachgewiesen werden konnte und die sich zur Zeit des Nationalsozialismus in die Nische Industriebau oder ganz zurückgezogen hatten, unter ihnen Ferdinand Streb.
Der erste Spatenstich erfolgte im Juni 1946 doch bereits 1947 entfiel Hamburg mit der Zusammenlegung der britischen und amerikanischen Zone als Hauptquartiersstandort. Ende 1947 wurde die Großbaustelle mitsamt zwölf fertiggestellten Fundamenten stillgelegt.
Im März 1948 entschloss sich die Stadt Hamburg nach langer Prüfung und politischen Auseinandersetzungen, das riesige Bauvorhaben fortzuführen, die Grundrisse zu verändern und somit 2.120 Wohnungen für rund 5.400 Menschen zu schaffen.
Mit der Grindel-Architekten-Gemeinschaft (Streb, Hermkes, Lodders, Trautwein, Sander, Jäger und Zess) kam eine Generation von Baumeistern zum Zuge, die mit ihrer kühnen Hochhausidee an die Architektur-Moderne der 20er Jahre und an wohnungspolitische Ideale der 30er Jahre für den kommenden Massenwohnungsbau (für alle Wohnungen eine Stunde Besonnung zu jeder Jahreszeit) anknüpfte. Die Hochhausanlage mit ihrer Helligkeit (Gailscher Klinker), Transparenz, Leichtigkeit und Eleganz im Einzelbau wie in der Gesamtanlage ist Ausdruck für das neue Lebensgefühl im Nachkriegsdeutschland. Die gesamte Anlage mitsamt Tiefgarage, Tankstelle, Wäscherei und der umgebenden Grünanlage steht als Symbol des Aufbaus und Dokument für den Leistungswillen der Verwaltung, Politik und Architektenschaft, aber auch die herausragende künstlerische Leistung Hamburger Architekten, seit 1979 unter Denkmalschutz.
Ferdinand Streb (1907 im bayerischen Berching geboren) hat erst mit der Gründung eines eigenen Hamburger Büros 1948 seine ganz persönliche Architektursprache entwickelt, die seine Liebe zu organischen Formen zeigt und sich deutlich von einer rein funktionalistischen Auffassung absetzt. Mit dem eleganten Alsterpavillon, den drei strahlend hellen, geschwungenen Verwaltungsgebäuden der Iduna-Germania-, der Vela- und NOVA-Versicherungen an der Alten Rabenstraße, aber auch den Seeterrassen in Planten und Blomen und dem Haus des Sports an der Schäferkampsallee hat Ferdinand Streb in den 50er Jahren das Stadtbild Hamburgs durch seine elegante wie modern-freundliche Architektur geprägt.
Seine Gebäude kennt jeder Hamburger, aber der Baumeister selbst, der schon 1970 verstarb, geriet in Vergessenheit. Mit der Benennung des Großen Saales im Bezirksamt Eimsbüttel soll an diesen künstlerisch begabten und stets Neuem aufgeschlossenen Architekten der ersten Wiederaufbaustunde nach dem Zweiten Weltkrieg erinnert und sein Werk gewürdigt werden.
Beschlussvorschlag:
- Die Vorsitzende der Bezirksversammlung und der Bezirksamtsleiter werden gebeten, sich dafür einzusetzen, dass der Große Saal der Bezirksversammlung nach dem Baumeister des Eimsbütteler Bezirksamtes, dem Architekten Ferdinand Streb benannt wird.
- Ein schmales Metall-Namensschild über einer Metall-Tafel (Größe Din A 4) am Eingang zum Großen Saal, soll auf die Benennung des Saales hinweisen und an das Werk des Architekten erinnern. Die Kosten von etwa 600 Euro werden aus Mitteln für die Öffentlichkeitsarbeit der Bezirksversammlung finanziert.
- Die Benennung soll in Anwesenheit des Sohnes, des Hamburger Architekten Martin Streb, erfolgen.
Rüdiger Rust und SPD-Fraktion